In einem kleinen Dorf zwischen Böhmen und Mähren, tief in der Provinz des österreichischen Vielvölkerreichs, wird 1860 Gustav Mahler geboren. Hier verbringt er seine Kindheit, wird geprägt von den Klängen der Natur und der Marschmusik, die ihn begleiten werden auf seinem Weg zum herausragenden Komponisten der frühen Moderne und zum berühmtesten Dirigenten seiner Epoche.
Mit gerade einmal 15 Jahren kommt Gustav Mahler 1875 in Wien an. Der Wiener Börsenkrach am "Schwarzen Freitag" liegt erst zwei Jahre zurück, aber die Stadt tanzt weiter zu den Klängen des Walzerkönigs Johann Strauss. Und Mahler? Verkehrt schon bald als überzeugter Vegetarier und Wagnerianer in den angesagten intellektuellen Zirkeln, studiert und macht seine ersten beruflichen Schritte.
Gustav Mahler ist inzwischen 21 Jahre alt und der Durchbruch als Komponist lässt auf sich warten. Zunächst steht ihm eine Dirigentenkarriere als "fahrender Geselle" bevor und er muss sich Respekt bei Orchestermusikern, Publikum und Presse verschaffen, wo ihm erstmals antisemitische Töne entgegenschlagen.
Mahler ist frustriert. Obwohl er mit 28 Jahren zu den besten Dirigenten seiner Zeit zählt, steckt er in Budapest und Hamburg in der Theater-Tretmühle, seine Erste Symphonie wird als tierisches Gekreisch karikiert. Und ihn plagen seine Hämorrhoiden. Was Mahler noch nicht weiß: Der sehnlich erwartete Durchbruch und eine erste erfüllte Liebe sind nah.
Mahler landet mit dem sogenannten "Blumenstück" seinen ersten Hit. Ab sofort komponiert er seine Symphonien erfüllt und beflügelt von der Natur in der Sommerfrische: Am Attersee im österreichischen Salzkammergut, in der Villa Maiernigg am Wörthersee und im Pustertal der Dolomiten.
Wien, die Hauptstadt der Doppelmonarchie Österreich-Ungarn hat um 1900 zwei Millionen Einwohner und erlebt ihre große Blütezeit. Sigmund Freud publiziert mit der "Traumdeutung" ein Standartwerk der Psychoanalyse, Arthur Schnitzler schreibt sein Skandalstück "Der Reigen" über die sexuellen Tabus der Gesellschaft und Gustav Klimt gründet mit einer Gruppe junger Maler die Jugendstil-Variante "Wiener Secession". Gustav Mahler ist 37 Jahre alt und kurz davor, zum Operndirektor der Wiener Hofoper berufen zu werden. Hier wird er den Gipfel seiner Karriere erreichen.
Im literarischen Salon der Journalistin und Kritikerin Berta Zuckerkandl begegnet Gustav Mahler 1901 der schönsten Frau Wiens. Beide sind voneinander angetan und es entsteht eine folgenschwere Verbindung. Doch um Mahlers Gesundheit ist es nicht zum Besten gestellt.
Wie getrieben schreibt Mahler jedes Jahr eine Symphonie, reist als gefeierter Dirigent quer durch Europa, entstaubt Klassiker und macht die Wiener Hofoper zur bedeutendsten Musikbühne der Welt. Sein eigentliches Ziel ist wahrhaft kosmische Musik. Daheim staut sich bei seiner Ehefrau der Frust auf und die Vernachlässigung ihrer Bedürfnisse wird die Ehe in eine tiefe Krise stürzen.
Anfang des 20. Jahrhunderts verdüstert sich in Europa die politische Lage und Österreich-Ungarn heizt das Pulverfass Balkan weiter an. Den Ersten Weltkrieg wird Gustav Mahler nicht mehr erleben, er stirbt bereits 1911. Bis dahin steht allerdings noch die Uraufführung seiner Sechsten auf dem Programm, die gefeiert und gehasst werden wird. Und in nur einem Sommer am Wörthersee die Vollendung seiner Achten Symphonie, laut Mahler sein wichtigstes Werk.
Mahler ist 50 Jahre alt und kurz vor seinem Tod führt ein falsch adressierter Liebesbrief zum Showdown in der lang verdrängten Ehekrise. Almas Liebesverhältnis mit dem späteren Bauhaus-Gründer Walter Gropius wird Mahler den Boden unter den Füßen wegreißen und ihn sogar Sigmund Freud aufsuchen lassen.
Der Bayerische Rundfunk hat in der Reihe BR Klassik Wissen bisher elf aufwendig produzierte Hörbiografien von bekannten Komponisten veröffentlich. Der Autor ist der Musikwissenschaftler Jörg Handstein. Die aufwendig produzierten Hörbiografien vermitteln auf unterhaltsame und kurzweilige Art die Lebensgeschichten berühmter Komponisten. Wer waren Mozart, Mahler, Schumann, Schubert, Fanny und Felix Mendelssohn? Wer Beethoven, Brahms, Wagner, Tchaikovsky und Verdi? In welcher Zeit entstanden ihre Werke? Und wie hat ihr Leben ihre Musik beeinflusst? Als Sprecher wurden namhafte Schauspielerinnen und Schauspieler verpflichtet, die sehr professionell die Vergangenheit lebendig werden lassen: Matthias Brandt, Martina Gedeck, Brigitte Hobmeier oder Cornelius Obonya und viele andere. Zahlreiche Musikbeispiele sowie etliche vollständige Werke, von bedeutenden Musikerinnen und Musikern auf hervorragendem Niveau eingespielt, vergegenwärtigen das Schaffen der Komponisten. Alle Zitate folgen den Quellen – schließlich ist das, was wirklich passiert ist, spannender als alle später erfundenen Anekdoten. So wird fundiertes Wissen zum fesselnden Hörgenuss.
BR | 2007 | 10 Folgen
Buch: Jörg Handstein
Cast: Udo Wachtveitl (Erzähler), René Dumont (Gustav Mahler), Laura Maire (Alma Mahler).
Zitator:innen: Krista Posch, Gert Heidenreich, Hans Jürgen Stockerl.
Ton und Technik: Fabian Zweck
Redaktion und Regie: Bernhard Neuhoff
Eine Produktion von BR Klassik, Bayerischer Rundfunk