Darunter beispielsweise Slavoj Žižek, der "Elvis der Kulturtheorie". Oder Srečko Kosovel – der Dichter wurde lediglich 22 Jahre alt, aber verfasste in dieser kurzen Lebensspanne rund 1700 Gedichte, aus denen beispielsweise Patti Smith auf ihren Konzerten häufig zitiert. Oder auch Ana Marwan, aufgewachsen in Ljubljana und 2022 mit dem Ingeborg-Bachmann-Preis ausgezeichnet.
"Der Slowene ist ein Beobachter", sagt Jürgen Boos, Direktor der Frankfurter Buchmesse, über das diesjährige Gastland. Slowenien sei aus seiner Sicht ein Land, durch das die Menschen hindurchziehen: "und die Slowenen sind dort – und beobachten". Das sei die Voraussetzung für Lyrik und Poesie – und die sind gewissermaßen das literarische Spezialgebiet des Landes, betont auch die Kuratorin Amalija Maček, Programmberaterin der Buchmesse in diesem Jahr.
Von den 3.500 neuen Büchern, die in Slowenien jährlich erscheinen, sind 300 Gedichtbände. Die slowenische Dichtung des zwanzigsten Jahrhunderts war gewissermaßen Teil der europäischen Avantgarde – und lief dennoch weitgehend unter dem Radar, immerhin waren die meisten Werke auf Slowenisch verfasst und mussten für ein internationales Publikum erst einmal übersetzt werden. So beispielsweise die Werke des erwähnten Srečko Kosovel. Sie gibt es überhaupt erst seit 2004 in übersetzter Version.
Slowenien ist das Gastland der Frankfurter Buchmesse 2023. Holger Heimann war für SWR2 dort unterwegs und hat die Autoren Roman Rozina und Drago Janćar getroffen. Sie erzählen, wie die bewegte Geschichte ihres Landes die Gesellschaft bis heute prägt - und polarisiert. Die beiden Autoren schauen unvoreingenommen auf die slowenische Vergangenheit. Ihre Romane sind Plädoyers für einen produktiven Umgang mit der Geschichte.
Prägend für die slowenische Literatur ist außerdem die Lage des Landes: Zentral in Europa, mit Grenzen zu Österreich, Ungarn, Italien und Kroatien. Damit sei Slowenien auch zwangsweise ein Land, in dem europäische Identitäten verhandelt werden, sagt der Publizist Matthias Göritz, Herausgeber eines aktuellen Gedichtbandes mit Literatur aus dem Land. Für ihn sei Slowenien immer auch ein experimentelles Land, in dem Dichtung auch dem Besprechen einer neuen Idee diene. "Man kann sagen, dass das Dichten, das Denken und Publizieren für slowenische Identität wichtiger ist als vielleicht für alle anderen Länder in diesem Teil Europas.", findet Göritz. Das hängt vielleicht auch damit zusammen, dass sich die Identität des Landes lange nur aus der Sprache speiste. Erst waren die Slowenen Teil des Habsburger Reiches, dann ein Bestandteil des "Königreiches der Serben, Kroaten und Slowenen", dann ein Teil von Jugoslawien. Ein festes geografisches Gebiet gibt es erst seit 22 Jahren.
Slowenien, das Gastland der Frankfurter Buchmesse 2023, liegt zwischen germanischen, romanischen und slawischen Sprachen. Das macht das Land besonders. In dieser Ausgabe von "Unter Büchern" beleuchtet MDR Kultur-Redakteurin Julia Hemmerling die Verlagsszene und stellen Neuerscheinungen vor.
"Man kann Slowenien schwer verstehen, ohne den Bezug zu Ex-Jugoslawien zu verstehen", findet Amalija Maček. Aus ihrer Sicht sei das Verhältnis des Landes zur ehemaligen sozialistischen Föderation geprägt von Wechselbeziehungen, sowie einer Kombination aus Nähe und Fremde zwischen den Kulturen.
1991 erklärte die Republik Slowenien ihre Unabhängigkeit von Jugoslawien. Der Preis für diese Unabhängigkeit war zunächst unerwartet hoch, denn zwei Tage nach der Unabhängigkeitserklärung brachen Gefechte in Slowenien aus: Die jugoslawische Volksarmee gegen die slowenische Territorialverteidigung und Polizei. Bis zu 200 Menschen dürften in den Auseinandersetzungen, bekannt als "10 Tage-Krieg", ums Leben gekommen sein – obwohl der Weg zur Unabhängigkeit für Slowenien ein verhältnismäßig kurzer war. Bereits im Herbst 1991 verließen die letzten jugoslawischen Soldaten das Land, die Republik war unabhängig.
Dass dieser Prozess deutlich schneller und weniger brutal ablief, als beispielsweise im benachbarten Kroatien, dürfte auch daran liegen, dass in Slowenien bereits 1991 hauptsächlich Slowenen lebten. Serben, Kroaten, Bosnier, Mazedonier und Kosovoalbaner waren in dem Land kleine Minderheiten. Konflikte zwischen den unterschiedlichen Ethnien spielen deshalb eine deutlich geringere Rolle als in vielen umliegenden Ländern nach dem Zerfall Jugoslawiens.
Slowenien ist der Ehrengast der Frankfurter Buchmesse. Das Land hat zwar nur zwei Millionen Einwohner, jedoch recht viele auch hierzulande bekannte Autorinnen und Autoren. Viele von ihnen kommen nach Frankfurt am Main. Deutschlandfunk Kultur stellt das Gastland der Frankfurter Buchmesse 2023 vor.
Kulturell hat diese bewegte Phase dennoch Spuren hinterlassen. Beispielsweise in den literarischen Werken von Drago Jančar. Der Schriftsteller aus Maribor gilt als einer der bedeutendsten Autoren des Landes und wurde vielfach ausgezeichnet, zuletzt mit dem Prix européen de littérature für sein Lebenswerk. Seine Spezialität: Mit historischen Romanen das Jetzt erklären. Beispielsweise in "Die Nacht, als ich sie sah" (2015); sein neuer Roman soll passend zur Buchmesse im Herbst 2023 erscheinen.
Slowenien ist in diesem Jahr das Gastland der Frankfurter Buchmesse. Das kleine Land hat eine große Literaturszene. Terry Albrecht hat sich mit Lyriker Aleš Šteger und seinen Kolleg:innen unterhalten und stellt das literarische Slowenien vor.