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Correctiv-Enthüllung: "Masterplan Deutschland" auf der Bühne

Szenische Lesung des Berliner Ensembles

Correctiv enthüllt: Rechtsextremer Geheimplan gegen Deutschland

Sie planten nichts Geringeres als die Vertreibung von Millionen von Menschen aus Deutschland: AfD-Politiker, Neonazis und finanzstarke Unternehmer kamen im November 2023 in einem Hotel bei Potsdam zusammen. Ein Treffen, von dem niemand erfahren sollte. Die investigative Redaktion von "Correctiv" war auch im Hotel – und hat das Treffen dokumentiert. Das Berliner Ensemble bringt die Recherche in einer szenischen Lesung auf die Bühne und enthüllt so weitere abstoßende Details des Treffens.

"Masterplan Deutschland"

Die szenische Lesung aus den Ergebnisbericht des investigativen Recherchenetzwerks "Correctiv", in einer Bearbeitung für die Bühne und in einer Aufnahme aus dem Berliner Ensemble.

Deportationspläne der AfD, Nazis und Gleichgesinnten für andersdenkende Deutsche oder welche mit Migrationshintergrund

Im November 2023 traf sich ein exklusiver Zirkel von AfD-Politikern, Unternehmern und Akteuren aus der rechten Szene in Potsdam, um sich darüber auszutauschen, wie rechte Politik in Deutschland strategisch geplant und umgesetzt werden kann. Unter anderem ging es dabei um die Abschiebung von Millionen von Menschen aus Deutschland.

Das unabhängige Investigativkollektiv "Correctiv" hat das Treffen dokumentiert und seine Ergebnisse vergangene Woche unter dem Titel "Geheimplan gegen Deutschland" veröffentlicht. Am Mittwochabend wurde die Recherche in einer szenischen Lesung im Berliner Ensemble (BE) vorgestellt, über 40 Theater in ganz Deutschland haben den Abend übertragen.

Recherche auf der Bühne - geht das?

Viel ist über die Recherche von Correctiv in der vergangenen Woche diskutiert worden, vor allem in Social-Media-Kanälen und in den Medien. Im Publikum sitzt tatsächlich vor allem die Berliner Kultur- und Intellektuellenszene. Vor dem Haus: Polizeischutz und Security, ein gewöhnlicher Theater- oder Diskussionsabend ist es nicht. Das BE bietet einen kostenlosen Videostream auf seiner Internetseite für den restlos ausverkauften Abend an, über 40 Theaterhäuser haben sich kurzfristig angeschlossen und den Abend übertragen.

Reales, Erinnerungen, Fiktionales

Auf der Bühne steht ein langer Tisch, er ist elegant gedeckt mit Kerzen und Stoffservietten. So in etwa sah es aus im Hotel Adlon in Potsdam, in dessen Räumlichkeiten sich vor wenigen Wochen knapp 30 Menschen aus AfD und Neonazikreisen trafen, um einen "Geheimplan gegen Deutschland" zu diskutieren. Sechs Schauspielerinnen und Schauspieler aus dem Berliner Ensemble nehmen an dem Tisch Platz: Andreas Beck, Constanze Becker, Max Gindorff, Oliver Kraushaar, Veit Schubert und Laura Talenti.

Was nun folgt, ist eine ungewöhnliche Mischung aus Lesung, Szenenschauspiel und Kommentaren zu Personen und Akteuren. Die Schauspieler spielen Schlüsselszenen des Geheimtreffens nach, eine Art Reenactment, kommentierten die Rolle des jeweiligen Redners, seine Biografie. So ist Veit Schubert mal AfD-Kandidat, mal Vorstandsmitglied des Vereins Deutscher Sprache. Den exakten Wortlaut aller Reden gibt "Correctiv" nicht wieder. Protokolle der Gespräche wurden aus der Erinnerung geschrieben, behaupten zumindest die Schauspieler, manches sei fiktional.

Wieviel Einblick die Journalistinnen und Journalisten in die Veranstaltung wirklich hatten oder ob sie gar einen Maulwurf am Esstisch im Hotel Adlon platzieren konnten oder sogar eine Wanze, das bleibt an diesem Abend offen. Dass unter anderem mithilfe einer in einer Armbanduhr versteckten Kamera gefilmt wurde, dieser Coup im Stil von James Bond wird mit dem Publikum augenzwinkernd geteilt.

Komik, wo es nichts zum Lachen gibt

Um Klagen und Anzeigen zu entgehen, betont jeder Darstellende seine Figur als Schauspieler, bevor er in die Rolle eines Redners schlüpft. Es gibt dem Abend einige slaptstickhafte Momente, wenn Constanze Becker zum Beispiel sagt: "Mein Name ist Gerrit Huy, AfD-Abgeordnete im Bundestag. Ach nee, ich bin eine Schauspielerin, die Gerrit Huy spielt und die im Bundestag sitzt." Anschließend redet die Schauspielerin, die Gerrit Huy spielt, lieber gleich von Deportationen als von der wolkigen Remigration, einen Euphemismus, den einige Teilnehmende der Runde offenbar für salonfähig halten. Diese Momente der Komik passen nicht so recht zu Dramatik der in Potsdam verhandelten Inhalte.

"Unsere Demokratie nicht kaputt machen lassen"

Die aufgeladene, angespannte Stimmung im Publikum entlädt sich, als Schauspieler Veit Schubert einen emotionalen Appell ans Publikum richtet: "Vielleicht wird dieser Abend Teil einer neuen Erzählung, die damit beginnt, dass wir uns gegen die faschistischen Kräfte in diesem Land wehren. Es könnte eine Erzählung sein, die zeigt, dass wir viele sind, dass wir laut sind. Dass wir als Zivilgesellschaft nicht pennen, sondern dass wir hellwach sind. Und dass wir uns unsere Demokratie nicht kaputt machen lassen." Es folgt ein minutenlanger, frenetischer Applaus.

Zumindest eines hat dieser Abend gezeigt: Die Theaterhäuser sind mitnichten im Tiefschlaf, sondern hellwach und bereit, aktuellen politischen Diskursen eine Plattform zu geben.

Text: Cora Knoblauch

Warum wurde aus der Recherche eine szenische Lesung gemacht?

"Debatte sollte nicht nur in der Presse, der Politik oder sozialen Medien stattfinden. Das, worüber wir als gemeinnützige Organisation berichten, soll in die Gesellschaft. Deshalb sind wir auf das Berliner Ensemble zugegangen. Theater ist Debatte. Kunst ist politisch. In Deutschland hat politisches Theater eine lange Tradition: Denn Theater kann Raum für Austausch schaffen und tut es immer wieder. Alle Recherche-Ergebnisse sowie der Text der szenischen Lesung stehen allen kostenlos online zur Verfügung."
(Quelle: correctiv.org)

Credits

rbb | 2024 | 64 Min.
Regie und Dramaturgie: Kay Voges
Text: Lolita Lax, Jean Peters, Kay Voges
Darstellende: Andreas Beck, Constanze Becker, Max Gindorff, Oliver Kraushaar, Veit Schubert, Laura Talenti
Eine Koproduktion von Correctiv, dem Berliner Ensemble und dem Volkstheaters Wien

Logo rbb (Bild: rbb)
Ein Mann steht auf einer Bühne und greift sich an den Kopf. Er trägt eine Krone.

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