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Kunst, Raub und Rückgabe: Vergessene Lebensgeschichten

Doku-Serie

Der Kunstraubzug der Nazis: Über Kunst, Raub und Rückgabe

Ab 1933 startete das NS-Regime den größten Kunstraubzug der Geschichte. Betroffen waren vor allem jüdische Deutsche. Bis heute sind viele dieser Kunstraubfälle unaufgeklärt. Ein multimediales Erinnerungsprojekt erinnert an die Opfer von Raub und Enteignung und zeigt den langen Weg der Kunstwerke vom Raub bis zur Restitution.

Friedrich Guttsmann (1888-1959)

Der Berliner Kaufmann stammte aus einer jüdischen Familie, konvertierte aber 1911 zum evangelischen Glauben. Ab 1933 verlor er seine Wohnung und seine wirtschaftliche Grundlage und musste Einrichtungsgegenstände und Kunstwerke unter Wert verkaufen. Kurz nach Kriegsende siedelte er nach Schweden um.

Rudolf Mosse (1843-1920)

Der Berliner Verleger hatte seit den 1870er Jahren ein Verlagsimperium errichtet und eine bedeutende Kunstsammlung aufgebaut. Seine Familie musste nach 1933 fliehen, die Kunstwerke wurden beschlagnahmt und versteigert. Seine Erben leben heute in den USA.

Curt Glaser (1879-1943)

Der Berliner Kunsthistoriker hatte mit seiner Frau Elsa eine bedeutende Kunstsammlung mit Werken von Munch, Matisse, Kirchner, Beckmann und anderen aufgebaut und arbeitete am Kupferstichkabinett. 1933 verlor er als Jude Job und Wohnung, musste seine Sammlung verkaufen und floh über die Schweiz, Italien und Kuba in die USA, wo er 1943 verstarb.

Familie Hess aus Erfurt

Dem jüdischen Erfurter Ehepaar Thekla und Alfred Hess gehörte in den 1920er-Jahren eine große Privatsammlung von Kunst deutscher Expressionisten. Heute finden sich Teile davon in der englischen Stadt Leicester wieder. Wie kam es dazu?

Familie Friedmann aus Augsburg

Miriam Friedmann lebt in Augsburg. In ihrer Wohnung hängt heute wieder ein Gemälde, das einst ihren Vorfahren Selma und Ludwig Friedmann gehörte. Zu verdanken ist das der Recherche einer Provenienzforscherin der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen.

Aenne Biermann (1898-1933)

Aenne Biermann (1898 bis 1933). Eine überregional bekannte Fotografin der Neuen Sachlichkeit. Eine große Sammlung ihrer Fotografien ist heute in der Pinakothek der Moderne in München zu sehen. Beinahe wäre alles anders gekommen.

Familie Davidsohn aus München

Im November 1938 rauben die Nationalsozialisten in nur wenigen Tagen mehr als 60 jüdische Familien in München und Umgebung ihrer Kunst. Betroffen davon ist auch das Ehepaar Semaya Franziska und Julius Davidsohn.

Julius Kien (1868-1949)

Dem jüdischen Wiener Unternehmer Julius Kien (1868 bis 1949) gehörte eine ansehnliche private Kunstsammlung. Nach dem Anschluss Österreichs an Nazi-Deutschland 1938 musste Kien nach Australien fliehen. Doch was geschah mit seiner Kunst?

Familie Flersheim aus Frankfurt/Main

Familie Flersheim. Jüdische Kaufleute und Kunstsammler im Frankfurt am Main der 1930er-Jahre. Enteignung durch die Nationalsozialisten, Flucht. Heute hat Michael Eberstadt, ein Flersheim-Nachfahre, einige der Kunstwerke zurück.

August Liebmann Mayer (1885 -1944)

August Liebmann Mayer. In Darmstadt geboren, in München erfolgreich. Der Experte schlechthin für spanische Kunst. Als Jude gerät er ins Visier der Nationalsozialisten. Im KZ Theresienstadt wird er im Frühjahr 1944 ermordet.

Michael Berolzheimer (1866-1942)

Michael Berolzheimer. Engagierter Forscher zur Geschichte der Juden in Franken. Sammler von Grafiken. Heute treffen wir Nachfahren von Melitta und Michael Berolzheimer im US-Bundesstaat Georgia. Ein langer Weg.

Marianne Schmidl (1890-1942)

Marianne Schmidl stammte aus einer zum Protestantismus konvertierten jüdischen Familie in Wien. Ihr Urgroßvater war der im 18. Jahrhundert berühmte Maler Friedrich von Olivier aus Dessau, von dem sie einige seiner bedeutendsten Werke erbte. Nach dem „Anschluss“ Österreichs 1938 wurde sie als Jüdin erfasst, besteuert und musste ihre Sammlung verkaufen. 1942 wurde sie deportiert, die Umstände ihres Todes sind unbekannt.

Artur Rubinstein (1887-1982)

Der einst weltberühmte Pianist wurde in Polen geboren und kam als Zehnjähriger für seine Klavierausbildung nach Berlin. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurde er von Paris aus zu einem der erfolgreichsten Pianisten seiner Zeit. 1937 floh er mit Frau und Kindern während einer Konzertreise in die USA. Nach ihrem Einmarsch in Paris, beschlagnahmten die Nazis seine wertvollen Handschriften und Originalpartituren. Erst Jahrzehnte später bekam seine Tochter Eva in New York die verschollenen Musikalien zurück.

Eugen Moritz Buchthal (1878-1954)

Eugen Buchthal war ein Mode-Unternehmer in Berlin, Teil der meist jüdischen Modeindustrie rund um den Hausvogteiplatz. Privat war er ein Mensch der Avantgarde. Seine Villa im Berliner Westend ist eine Ikone des expressionistischen Bauens, er förderte und sammelte junge Künstlerinnen und Künstler. Seine Werke verlieh er an oft Museen. Als nicht-praktizierender Jude glaubte er lange sicher zu sein vor der Verfolgung durch die Nazis. Erst 1938 floh er nach London. Heute gibt es nicht einmal mehr ein Foto von ihm, nur eine kleine Skizze von Käte Wilczyinski, eine von ihm geförderten Künstlerin.

Carl Heumann (1886-1945)

Carl Heumann war Bankier in Chemnitz, der seit den 1920er Jahren eine große Kunstsammlung aufgebaut hatte. Als die Nazis an die Macht kamen, schütze den schon früh zum Christentum konvertierten Juden seine evangelische Frau vor der Deportation. Trotzdem verlor er seine Arbeit, Vermögen und Kunst wurden teilweise eingezogen. Carl Heumann starb 1945 bei einem Luftangriff und dem Versuch, Kunstwerke aus seinem Haus zu retten. Sein Sohn überlebte und emigrierte nach Amerika, wo seine Tochter Carol heute lebt.

Ein Erinnerungsprojekt über nationalsozialistische Raubkunst und deutsch-jüdische Lebensgeschichten

Jüdinnen und Juden wurden im nationalsozialistischen Deutschland nicht nur entrechetet und verfolgt, sie wurden auch beraubt. Zwangsabgaben wurden erhoben, Besitz beschlagnahmt. Oft waren die Verfolgten aus wirtschaftlicher Not gezwungen, ihr Hab und Gut zu verkaufen, und wer flüchten konnte, musste vieles zurücklassen.

Etliche der geraubten Kunstwerke und Bücher gelangten in öffentliche Sammlungen. Museen kauften sie auf Auktionen, in Galerien oder direkt von den Verfolgten. Teilweise erhielten Museen und Bibliotheken Raubgut von staatlichen Stellen zugewiesen. Die Wege, wie die geraubte Kunst in öffentliche Sammlungen kam, sind so unterschiedlich wie die Schicksale der Menschen, denen sie weggenommen wurde.

Auch heute noch finden sich Kulturgüter, die jüdischen Bürgern in der NS-Zeit entzogen wurden, in Museen, Bibliotheken oder Archiven. Dass sie unrechtmäßig in die Sammlungen gekommen sind, war oft über Jahrzehnte nicht bekannt oder wurde verschwiegen. Mitunter bedarf es komplizierter Recherchen, um dies herauszufinden, etwa wenn ein Werk erst viel später im Kunsthandel erworben wurde oder seit der NS-Zeit mehrfach die Besitzer wechselte.

Provenienzforschung miterleben

Wenn Museen die Herkunft ihrer Kunstwerke erforschen, treten nicht nur Eigentumsverhältnisse, sondern auch Schicksale zutage. Mit "Kunst, Raub und Rückgabe – Vergessene Lebensgeschichten" erinnern die Stiftung Preußischer Kulturbesitz und die Bayerischen Staatsgemäldesammlungen zusammen mit dem Rundfunk Berlin-Brandenburg und dem Bayerischen Rundfunk an die Opfer von Verfolgung und Enteignung. Wer waren diese Menschen, was geschah mit ihren Kunstwerken? Und was bedeutet es ihren Nachkommen, wenn ein geraubtes Kunstwerk zurückgegeben wird? Mehr Informationen auf der Projektseite kunst-raub-rueckgabe.de.

Credits

RBB/BR | seit 2023 | Doku-Serie
Redaktion: Tobias Maier (RBB), Henning Weber (BR)
Eine Koproduktion des RBB und des BR in Zusammenarbeit mit der Stiftung Preußischer Kulturbesitz und den Bayerischen Staatsgemäldesammlungen

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Eine Person steht im Albertinum in Dresden und betrachtet Reisebilder.

Malerei

Sie gilt als die älteste Kunstform der Menschheit – und kann heute auch vollkommen abstrakt sein: die Malerei.