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Orte und Worte: Literaturschaffende an ihren Lieblingsorten

Podcast

Orte und Worte: Literaturschaffende an ihren Lieblingsorten

Ein Buch, ein Ort, eine Begegnung: Wir sprechen mit Autorinnen und Autoren über ganz persönliche Themen, ihre aktuellen Bücher, das Schreiben und die kreative Arbeit. Und das immer an einem ungewöhnlichen Ort.

Mit Bettina Wilpert am Frühstückstisch

Bettina Wilpert und Nadine frühstücken beide gerne. Satt und zufrieden lässt es sich auch einfach besser reden. Darüber, wie Schwangerschaft, Geburt und Mutterschaft den Blick auf sich selbst und die Welt verändern und was eigentlich bei all dem mit dem Körper und dem Körperbild passiert. Darüber und über ihre eigene Mutterschaft, sexuelle Identität und den Geburtsvorgang schreibt Bettina in ihrem neuen Roman "Die bärtige Frau". Der Verbrecher-Verlag nennt das "radikale Körperliteratur". Es geht um eine Frau zwischen eigenen Ansprüchen, Erwartungen der Gesellschaft und körperlichen Tatsachen. Bettina hat sich mit Nadine in ihrem alten Berliner Lieblingscafé zum Frühstück getroffen und sich auch darüber unterhalten, wie sich eine Geburt in Sprache übersetzen lässt, warum Bettina dieses Buch unbedingt schreiben musste und warum der weibliche Körper oft noch immer eine Tabuzone in der Literatur ist.

Mit dem Neuberliner Alhierd Bacharevič in der rbb Dachlounge

In Belarus sind seine Bücher verboten, in Deutschland bekommt Alhierd Bacharevič dieses Jahr für seinen Roman "Europas Hunde" den Preis zur Europäischen Verständigung. Ein Buch über Sprache und Macht, wild, phantasievoll, politisch und schon insofern außergewöhnlich, weil er eine eigene Kunstsprache für den Roman erschaffen hat: Balbuta. Für "Orte und Worte" hat Alhierd Bacharevič mit Anne-Dore in der Dachlounge des rbb über das Buch gesprochen - mit Blick auf Berlin, das seit kurzem sein neues Zuhause ist, denn seit 2020 leben er und seine Frau, die Lyrikerin Julia Cimafiejeva, an verschiedenen Orten im Exil. Ein Gespräch über die Stadt Berlin, über Kunstsprachen, Dys- und Utopien und den Glauben an die Kraft der Literatur.

Mit Dmitrij Kapitelman im Supermarkt "Rossija"

Es ist nicht nur getrockneter Fisch oder Pelmeni, die man in einem Supermarkt wie dem Leipziger "Magasin" findet, sondern auch ein osteuropäisches Lebensgefühl. Der Krieg Russlands gegen die Ukraine hat Gewissheiten zerstört, die Propaganda verschmutzt die Köpfe. Die jüdisch-ukrainisch-moldauische Familie Kapitelman hat so einen Laden wie den "Rossija" in Berlin-Charlottenburg in den 1990er Jahren in Leipzig aufgemacht. In zwei Teilen erzählt Dmitrij Kapitelman vom Leben in der Diaspora und wie der Krieg in Köpfe und Leben der Verwandten und Freunde in der alten Heimat kriecht. Kann man trotzdem die russische Sprache lieben? Antworten gibt "Russische Spezialitäten". Stephan Ozsváth hat sich beim Einkauf mit dem Autor über die Waren in den Auslagen, die Lage in der Ukraine, Heimat, das Schreiben und die Liebe zur russischen Sprache unterhalten – zwischen den engen Regalen des Supermarktes "Rossija".

Mit Drehbuchautorin Beliban zu Stolberg in einem kurdischen Restaurant

Beliban zu Stolberg schreibt Drehbücher und Romane. Mit Nadine unterhält sie sich zum Start der Berlinale – den Internationalen Filmfestspielen von Berlin – über ihre Arbeit. Sie erzählt, warum das Schreiben für den Film sich für sie wie die Arbeit einer Designerin oder Tischlerin anfühlt, während sie die Kreation von Prosa eher mit dem Wachsen einer Pflanze vergleicht. Die in Berlin lebende Autorin arbeitet in Writer's Rooms, als Headautorin oder Junior Producerin an Konzepten und Drehbüchern für Krimi-Serien, Spielfilme und Telenovelas. 2023 ist ihr Roman "Zweistromland" erschienen – eine Geschichte über eine familiäre Spurensuche in den kurdischen Gebieten der Türkei.

Mit Rabea Edel im "Moviemento Kino" in Berlin Kreuzberg

Die Schriftstellerin Rabea Edel geht ins Kino, wenn sie mal eine Pause braucht vom Schreiben oder neue Kraft sucht. Ihr neuer Roman "Portrait meiner Mutter mit Geistern" ist gerade erschienen und liest sich wie ein Film, findet Nadine. Die generationenübergreifende Mütter-Töchter-Geschichte führt hinein in die Traumata einer Familie und des ganzen 20. Jahrhunderts. Das Buch ist eine Hommage an Rabea Edels Mutter.

Im Independent-Kino Moviemento in Berlin Kreuzberg unterhalten sich Rabea und Nadine über Recherchen in der Familie, filmisches Denken, Bücher und die Liebe zum Kino.

Mit Susanne Gregor am Wiener Hauptbahnhof

Paulina verdient als alleinerziehende Krankenschwester in der Slowakei zuwenig, um ihren beiden Jungs eine Zukunft bieten zu können. So entschließt sie sich, zwei Wochen im Monat in Oberösterreich in einer Familie die alte Mutter zu pflegen, die nach einem Schlaganfall Hilfe braucht. Während sie in Österreich zur unverzichtbaren Familienmanagerin wird, entgleitet ihr ihr eigenes Leben in der Slowakei. "Halbe Leben" erzählt von einem Beziehungsgeflecht zwischen Ost und West, vom Dienen und Herrschen, von gegenseitigen Abhängigkeiten und einer modernen Dienstleistungsgesellschaft, die Menschen erster und zweiter Klasse kennt.

Stephan Ozsváth hat die Autorin Susanne Gregor am Wiener Hauptbahnhof getroffen, einem Transitort, wo die Dienstleister aus dem Osten zum Arbeiten ankommen und nach Dienstschluss wieder in die Nachbarländer fahren. Ein Gespräch über Brain Drain, weibliche Care-Arbeit, slowakischen Kulturkampf und eine Identität zwischen den Stühlen.

Mit Olga Grjasnowa im Jüdischen Museum Wien

Lou ist Kunsthistorikerin, aber nach einer Fehlgeburt traumatisiert. Ihr Mann Sergej ist Konzertpianist am Rande des Burn-out. Ihre Tochter Rosa bringt aus dem Kindergarten verstörende Fragen mit, etwa ob ein gewisser "Herr Hitler" das Tagebuch der Anne-Frank geschrieben habe. Und dann ist da noch die 90-jährige Tante, die als einzige Überlebende des Holocaust über die Erinnerung wacht und sie manipuliert. Zu ihrem Ehrentag kommt die verstreute ex-sowjetische Familie in ein heruntergekommenes Hotel auf den Kanaren. Der Roman "Juli, August, September" ist eine jüdische Identitätssuche.

Olga Grjasnowa erzählt in Wien über das Schreiben-Lehren, das Schreiben-Können zwischen Babysitter und eigenem Anspruch, über fluide Identitäten und Mehrsprachigkeit.

Mit David Wagner über den Dächern Berlins

Orte und Worte war wieder live im Studio 14 der rbb Dachlounge hoch über den Dächern Berlins. Die Lichter der Stadt glitzerten dabei fast so verführerisch durch die Fenster wie der Bosporus in Istanbul. Dorthin, auf einen Roadtrip durch die Türkei, geht es mit dem neuen Roman "Verkin" von David Wagner. Verkin ist der Name einer kosmopolitischen Frau und Unternehmerin, einer Türkin und Armenierin, die sieben Sprachen spricht und fast genauso viele Ehemänner hatte, in Paris, New York und Düsseldorf lebte, und überall vor Ort gewesen zu sein schien, wo gerade zufällig Weltgeschichte passierte. Wie David Wagner mit Fakten und Fiktion spielt, wie er Istanbul und die echte Verkin erlebt hat, und inwiefern sein Roman auch vom Völkermord an den Armeniern und den politisch-historischen Verhältnissen in der Türkei erzählt, hört ihr in dieser Folge.

Im eigenen Zimmer von Julia Schoch

Auf ihren Schreibtischen hat Julia Schoch gerade die letzten zehn Jahre zusammengeräumt. Denn mit "Wild nach einem wilden Traum" ist ihre Trilogie fertig, in der sie, so der Untertitel, die "Biographie einer Frau" erkundet. Dieses Mal ist der Erzählmotor eine Affäre mit einem Katalanen, eine Begegnung, die in der Rückschau Erkenntnisse, Ereignisse und Erinnerungen in Gang setzt, u.a. an einen Wald in Mecklenburg-Vorpommern und die Freundschaft eines Mädchens mit einem Soldaten. Anne-Dore trifft die Potsdamer Autorin in ihrem Arbeitszimmer in der Innenstadt, in dem Schoch seit 15 Jahren schreibt. Sie sprechen über das Verhältnis von Erzählen und Schreiben, über Fahrstuhlreisen durch die Zeiten und über die Einsamkeit der Erinnerung.

Mit Maria-Christina Piwowarski beim Lieblingsitaliener

Maria-Christina Piwowarski war zehn Jahre lang Buchhändlerin in Berlin, bevor sie sich selbständig machte als Moderatorin, Podcasterin und Bookfluencerin. Auf verschiedenen Kanälen vermittelt sie Literatur und spricht darüber. Ein Wendepunkt in ihrem Leben. Als sie dann auch noch eine lange Beziehung beendete, wuchs ihre Sehnsucht nach passenden Texten über U-Turns, Krisen und Abzweigungen im Leben. Der Sammelband "Und ich" – wurde geboren mit 20 Texten von Schriftstellerinnen wie Zsuzsa Bánk, Marica Bodrožić, Ann Cotten, Olga Grjasnowa, Gabriele von Arnim. Maria hat sich mit Nadine bei ihrem Lieblingsitaliener verabredet, um über Wendepunkte im Leben, das Lesen und Schreiben, die beste Carbonara und natürlich über Bücher zu sprechen.

Mit Manuela Tomic und bosnischen Teigschnecken im Wiener Pitawerk

Großvater und Gastwirt Ivo versteckt die Dinare im Radio. Die Großmutter bekämpft Zahnschmerzen mit Zigaretten. Die Kinder flüchten in Geheimsprachen und unter Walkman-Kopfhörer. In "Zehnfingermärchen" erzählt Manuela Tomić von der Zwischenwelt des bosnischen Flüchtlingskindes, das sie selbst einmal war. Vom Leben ihrer Eltern, die sich als LKW-Fahrer und Putzfrau in Österreich durchschlagen müssen. Von Zähnen, die durch die Süßigkeiten der bosnischen Großmutter löchrig wurden.

Die Prosaminiaturen sind zuerst als Kolumnen in der Wiener Wochenzeitung "Die Furche" erschienen. Jedes Leben ist wert, erzählt zu werden. Das ist das Credo der Autorin, die Prosa, Lyrik und Hörspiele schreibt. Die "Zehnfingermärchen" setzen denen, die in der Öffentlichkeit oft unterbelichtet sind oder als Problem wahrgenommen werden, ein sprachmächtiges und augenzwinkerndes Denkmal: Migranten.

Stephan Ozsváth hat die Österreicherin bei bosnischen Teigschnecken am Wiener Westbahnhof getroffen.

Mit Lucy Fricke über den Dächern Berlins

Orte und Worte hat Lucy Fricke quasi zu sich nach Hause eingeladen, ins Studio 14 – die Dachlounge des rbb. Live vor Publikum hat sich Nadine mit Lucy über ihren neuen Roman "Das Fest" unterhalten. Darin geht’s um einen 50. Geburtstag und all die Fragen, die die Mitte des Lebens aufwirft. Im Mittelpunkt steht Jakob, der nicht feiern will. Er pendelt zwischen Selbstmitleid und Weltschmerz, Resignation und Midlife Crisis. Wäre da nicht seine beste Freundin Ellen, die mit Torte und Champagner vor der Tür steht und für ihn heimlich einen Tag voller Überraschungen und Begegnungen inszeniert. Eine Reise in die Vergangenheit, die das Leben feiert.

Mit John von Düffel über den Dächern Berlins

35 Jahre nach dem gemeinsamen Philosophie Studium in Schottland trifft John von Düffel seine Kommilitonin Fiona wieder. In ihrer radikalen Art hat sie ihn sehr beeindruckt: Sie aß nichts bzw. wenig, kaufte nichts und wenn man fragte, was sie später machen wolle, sagte sie: "Ich möchte auf einem Stein sitzen und nachdenken". Jetzt möchte er anknüpfen an ihren damaligen Austausch und verabredet sich mit ihr in Edinburgh. Ein kluges philosophisches Gespräch beginnt, das den Dissens aushält und ohne erhobenen Zeigefinger zum Nachdenken anregt. Anne-Dore hat sich mit John von Düffel in Studio 14 des rbb verabredet und spricht vor Publikum mit ihm über sein neues Buch "Ich möchte lieber nichts" - die Geschichte einer Frau, die wenig hatte und das Wesentliche zum Prinzip machte.

Büchertipps zu Weihnachten aus Anne-Dores Wohnzimmer

Orte und Torte heißt es diesmal. Es gibt Kekse, Schokokuchen und Christstollen und jede Menge Büchertipps. Anne-Dore hat in ihr Wohnzimmer eingeladen, um sich mit Nadine und Stephan im adventlichen Kerzenschein über Jahreshighlights im Bücherregal auszutauschen. Welche Begegnung aus diesem Jahr, welcher Roman ist besonders im Gedächtnis geblieben? Eignen sich die Geschichten der Literaturnobelpreisträgerin Han Kang als Geschenk? Welches Buch verbinden die drei mit einer besonderen Phase im Leben?

Mit Noémi Kiss an der Donau

Das Dorf liegt auf einer Donauinsel, die Bewohner hoffen auf den Messias. Sie haben ihre Träume, vergangene und aktuelle. Sie leben und sie sterben mit dem Fluss. Da sind die beiden Mädchen, die der Fluss mitreisst, das Pferd, das gerade noch gerettet wird, da ist Frau Holle im modernen Kontext westlicher Firmen mit östlicher Belegschaft und dem Traum vom Reichtum. Da ist die Journalistin aus Wien, die nach dem Golem sucht und für Internet-Clicks irgend etwas erfindet. Das Dorf dient als Kammerspiel, die Donau als großer Rahmen.

Noémi Kiss ist eine wichtige zeitgenössische Stimme der ungarischen Literatur. Die 50-jährige lebt selbst in Budapest und in dem Dorf Kisoroszi auf einer Insel im Fluss. Stephan Ozsváth war mit ihr auf der WIENER Donauinsel. Sie hat ihm erzählt, warum Reiten für Autor/inn/en gut ist, warum ungarische Literatur immer melancholisch ist und woher die Sehnsucht nach einem (neuen) Messias in Ungarn kommt.

Alle älteren Folgen des Podcast "Orte und Worte" finden sich in der ARD Audiothek zum Nachhören.

Orte und Worte, die Schreibende damit verbinden

Unsere Hosts Nadine Kreuzahler, Anne-Dore Krohn und Stephan Ozsvath treffen unsere Gäste an Plätzen, die wichtig sind als Schauplatz oder Inspiration, mit dem Schwerpunkt in Berlin und Brandenburg. Die Challenge: Die Hosts stellen das aktuelle Buch in einer Minute vor. Das Extra: Host und Gast bringen ihre persönlichen aktuellen Lieblingsbücher mit.

Credits

rbb | 2023 | 14-täglich
Hosts: Nadine Kreuzahler, Anne-Dore Krohn, Stephan Ozsvath
Eine Produktion des rbb, Rundfunk Berlin-Brandenburg

Logo rbb (Bild: rbb)
Ein junger Mann liegt lesend auf einem Sofa. Young man relaxing on sofa with book.

Themenwelt Literatur

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