Ob Berliner Staatsoper oder Schwedt, ob Stalinallee oder Hoyerswerda, ob Verkehrshochschule Dresden oder am Ende Halle-Neustadt: Architekt Richard Paulick (1903–1979) prägte mit seinen Bauten die DDR. Aber auch im fernen China hat dieser Mensch Spuren hinterlassen, allerdings nicht im Namen des Sozialismus, sondern ganz im Gegenteil – als Innenarchitekt für Nachtklubs und Luxuswohnungen in Shanghai.
Nach seinem Architektur-Studium arbeitet Richard Paulick eng mit Walter Gropius am Bauhaus Dessau zusammen. 1933 flieht er vor den Nazis and andere Ende der Welt. In China hat er Erfolg als Unternehmer, Hochschullehrer und Stadtplaner. 1949 marschieren die Kommunisten in die Metropole ein. Für Paulick, zu diesem Zeitpunkt Chef der Stadtplanung, endet die gute Zeit in Fernost. Der Weltbürger möchte eigentlich in die USA, als ihn ein Brief seines Vaters aus der ostdeutschen Heimat erreicht. Der überzeugt seinen Sohn, in die DDR zu kommen und sich am Aufbau des Sozialismus zu beteiligen. Und tatsächlich, die DDR ermöglicht ihm die Umsetzung seiner vom Bauhaus geprägten Visionen auf den Großbaustellen der Republik.
Der Bau von Halle West, später Halle-Neustadt, – einer "Stadt für die Chemiearbeiter" – sollte sein Lebenswerk krönen. Die Idee, mit vorgefertigten Teilen standardisierte Wohnungen für die Massen zu bauen, ist nicht neu. Sie geht zurück auf Paulicks frühe Jahre im Umkreis des Bauhauses. Doch gerade Halle-Neustadt wird zum Exempel für den Wandel von Visionen in Realität. Aus der Lösung "Neubauwohnung" wurde mit den Jahrzehnten das Problem "Platte", sie stand nicht mehr für Warmwasser, Müllschlucker und Fernheizung, sondern schlicht für Monotonie in Beton.
Mehr als drei Millionen Plattenbauwohnungen wurden in der DDR gebaut. Fast jede zweite Ostdeutsche hat einen Teil des Lebens in der "Platte" verbracht. Natürlich hat Richard Paulick diese Wohnungen nicht alle gebaut, aber als Bauhäusler war er zutiefst davon überzeugt, dass das Wohnungsproblem der Massen nur mit industriellem Bauen zu lösen sei. So kam es, dass der weltgewandte und Erfolg gewohnte Architekt als Impressario des industriellen Wohnungsbaues letztlich die Lebenswelt und dadurch die Erinnerung so vieler Menschen prägte. So gesehen, ist er tatsächlich der "Architekt der DDR" und sein Vermächtnis wirkt bis heute.
Den besonderen Status, den der Architekt in der DDR genoss, sieht man auch an seiner privaten Wohnung: Hoch über der Berliner Karl-Marx-Allee erlaubte man ihm, ein privates Penthouse zu errichten. Unter sich konnte er den Straßenzug sehen, den er – damals noch unter dem Namen Stalin-Allee – selbst mitgestaltet hatte. Die DDR brauchte Paulick, und er konnte dank der DDR seine Ideale in Stein umsetzen.
MDR | 2021 | 29 Minuten
Buch und Regie: Titus Richter
Kamera: Nico Kutzner
Ton: Daniel Kovacs, Simona Urban
Grafik: Thomas Reichl
Montage: Rony Hofmann
Sprecher. Hans Hendrik Wöhler
Aufnahmeleitung: Stephanie Kurtze
Eine Produktion von MDR Kultur für den Mitteldeutschen Rundfunk